Selbsthilfe

Deine Superpower #1: der Glaubenssatz-Change

Von Anja Liske-Moritz

November 28, 2022

Deine Superpower #1: der Glaubenssatz-Change

Als die Straßenbahn in den Schneemassen nicht mehr weiter kam und für unbestimmte Zeit halten musste, begann ich ein Gespräch mit der älteren Frau neben mir. Sie wirkte unscheinbar, ärmlich.
0 Punkte von 10 auf der Paradiesvogel-Skala.

Nach ein paar Sätzen über den Schnee und die öffentlichen Verkehrsmittel zeigte sie mir einen Ausweis. Ich habe vergessen, warum. Es war wohl eine Jahreskarte oder ein Dienstausweis. Darauf stand: Dr. Dr. Dr. Edith Wanst. *

Daneben ein Passbild.
Ich bemühte mich, sie nicht sofort vergleichend anzustarren. 

Sie sind dreifacher Doktor?

Da die Straßenbahn sich durch Stromausfall ohnehin keinen Millimeter mehr rührte, begann sie zu erzählen. Ruhig, unaufgeregt.

* Um ihre Privatsphäre zu schützen, habe ich sowohl ihren Namen als auch wenige unbedeutende Details geändert.

Mit 16 Jahren hatte sich Edith gewünscht, studieren zu dürfen. Gern hätte sie auch klassische Gitarre gelernt. Aber für ihre Träume gab es weder Platz noch Geld. Ihr Vater verfügte, dass sie Sekretärin zu werden habe, und so wurde Edith Sekretärin. 

Mit 50 – es muss in den achtziger Jahren gewesen sein – setzte die Firmenleitung Edith darüber in Kenntnis, dass sie nun zu alt sei und gegen Zahlung einer Abfindung in den Vorruhestand gehen solle. Sie fügte sich und ging. 

Mit 51 lernte Edith das Gitarrespiel, schrieb sich erfolgreich am Konservatorium ein und machte nach vier Jahren dort ihren Abschluss, mit virtuosen Stücken und einem Diplom. 

Das Studium, das tägliche Üben und nicht zuletzt der Erfolg hatten ihr Freude bereitet. Sie beschloss, weiter zu studieren und immatrikulierte sich an der Universität im Fach Musikwissenschaft. Mitten im Studium wurde ihr klar, dass sie noch eine Menge geistige Kapazitäten frei hatte. So studierte sie zusätzlich Theaterwissenschaft, zwei Jahre später begann sie mit Kulturwissenschaft. Jedes zum Abschluss gebrachte Studium krönte sie mit einer Promotion. Es wurde ein Selbstläufer. 

– – – 

Es war nur ein kurzes Gespräch. Vielleicht zwanzig Minuten an einem klirrend kalten, sehr weißen Tag. Doch diese Minuten haben mich verändert.
Was in diesem Winter noch geschah, habe ich vergessen.
Aber an Dr. Dr. Dr. Edith Wanst werde ich mich mein Leben lang erinnern. 

Als ich sie kennenlernte, lag die Lebenserwartung für Frauen bei etwa 80 Jahren. 

Edith Wanst fing mit 51 da an, wo sie mit 16 hatte anfangen wollen und nicht durfte. Sie verwirklichte sich im dritten Lebensdrittel. 

Sie erfüllte sich ihre Träume. 
Sie legte einfach los. 
Sie bemitleidete sich nicht.
Sie fühlte sich nicht klein, benachteiligt, zu dumm, zu alt, zu schlecht. 

Sie stürzte sich auf Träume, die ihren vollen Einsatz erforderten.

Träume, die sie komplett herausforderten: ihre Intelligenz, ihr Lernvermögen, ihre Aufnahmefähigkeit, ihre Motorik.

Leider wagen viele Menschen, die noch deutlich mehr als das letzte Lebensdrittel vor sich haben, oft aufgrund eines einzigen zentralen limitierenden Glaubenssatzes keine Veränderung mehr. Der Status Quo wird erhalten, ob er nun befriedigend ist oder nicht. Man/frau hält sich beschäftigt und lenkt sich ab.

Doch die ungelebten Träume wühlen den Schmerz auf.
Solange, bis es kracht. 

Da gibt es vielleicht den Traum, geliebt zu werden. Für das, was und wie man ist und nicht für das, was man zu sein vorgibt, um wenigstens ein bisschen Liebe abzubekommen. 

Da gibt es den Traum, etwas zu bewegen, etwas Großartiges zu tun, etwas zu erschaffen. Und nicht nur stupide seinen Job zu machen und Geld zu verdienen, damit man sich selbst und die Familie versorgen kann. 

Oder den Traum, das Leben zu genießen, die Schönheit der Welt zu erkunden, die Vielfalt der Möglichkeiten auszukosten. Stattdessen lebt man in Selbstbeschränkung, um ins Bild zu passen, um nicht denen weh zu tun, die von einem abhängig sind oder sich abhängig gemacht haben.

Welchen Traum träumst du?
Welcher Glaubenssatz unterstützt dich dabei?
Welcher steht dem entgegen?

Wir alle haben Träume.

Und wir alle haben Glaubenssätze. Unzählige.
Was genau sind Glaubenssätze?

Ein Glaubenssatz ist eine tief verinnerlichte Auffassung, die ein Mensch von sich selbst und der Welt hat. Glaubenssätze können positiv, negativ oder neutral sein. Im Gegensatz zu Meinungen sind sie uns oft nicht oder nur teilweise bewusst und bleiben daher unreflektiert.

Wie sämtliche andere Auffassungen, Meinungen und Überzeugungen basieren sie auf Informationen und der Perspektive, die wir zu diesen Informationen einnehmen und sind daher jederzeit relativierbar und umkehrbar, wenn sich die Informationen und die Perspektive ändern – und wir uns das bewusst machen.

Die meisten Glaubenssätze haben wir von anderen übernommen: von unseren Eltern, aus unserer Kultur, von Vorbildern aus dem persönlichen Umfeld, aber auch durch das Welt- und Menschenbild, das uns durch Romane, Filme oder Serien prägt.

Andere Glaubenssätze haben sich in uns ausgebildet – aufgrund von Erfahrungen, die wir selbst gemacht haben. Je jünger wir dabei waren, desto versteckter und kraftvoller kann der Glaubenssatz sein – in beide Richtungen: zugunsten und zuungunsten seines Inhabers, seiner Inhaberin. Stell dir vor, auf welche Art und Weise du als sechs Wochen altes Baby Informationen verarbeitet hast und welche Perspektive du dazu einnehmen konntest…

Unser zentraler, am tiefsten liegender Glaubenssatz bestimmt darüber, wo wir landen: in Liebe und Leichtigkeit, im Auskosten der Schönheit dieser Welt 
oder 
in Leiden und Traurigkeit, in Selbstbeschneidung und Selbstkasteiung, in Burnout und Depression.  

Du wirst mir zustimmen, dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob ich glaube: 
Das wird sowieso nichts 
oder 
Ich fang‘ mal an, es wird schon werden.

Alle negativen und daher einschränkenden Glaubenssätze, wie auch immer sie konkret formuliert lauten mögen, lassen sich letztlich auf drei Ur-Glaubenssätze eindampfen:

  1. Ich bin es nicht wert. Oder
  2. Ich bin nicht gut genug. Oder
  3. Ich bin schlecht.

Diese drei Glaubenssätze sind die Wurzel jeder Depression, jedes Burnouts und vieler anderer Krankheiten, Störungen und Schwierigkeiten. Eine Superpower, deren Wirkung sich gegen dich entfaltet.

Stell dir bitte einmal vor, der Stammvater aller Glaubenssätze deines Lebens würde lauten:

  1. Ich bin gut. Oder
  2. Ich schaffe das. Oder
  3. Mein Leben ist ein gelingendes Leben. Oder
  4. Warum nicht?

Manchen Menschen gelingt es relativ leicht, einen negativen, limitierenden Glaubenssatz durch einen positiven zu ersetzen, wenn sie sich seiner bewusst geworden sind. Für andere ist das unvorstellbar. Zu viel ist bereits passiert, das diesen Satz wahr erscheinen lässt. Meist seit der frühen Kindheit, manchmal auch schon seit der Geburt.

Mehr als ein Viertel-, ein Drittel- oder ein halbes Leben ist schon vorbei und vieles lief nicht so, wie einst erträumt. Vielleicht sogar sehr vieles.

Vermutlich hast du es lange unter den Teppich kehren können oder kannst es noch. Es hat sich an seinen Platz im Dunkeln gewöhnt und ärgert dich nur ab und zu. Dann quält es dich beispielsweise mit Kopfschmerzen, Ekzemen oder Schlafstörungen. Vielleicht hast du plötzlich mit einem Reizdarm zu kämpfen oder die Galle spielt verrückt? Tut das Herz weh?

Es tut so weh, wenn du nicht DU bist! 

Wenn du nicht DU sein kannst, fühlst du dich als Opfer. 
Wer lässt dich zum Opfer werden?

Mach es wie Edith Wanst: Schaue nach vorn. Scanne das Leben nicht nach Hindernissen ab, sondern nach Chancen.

Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe.

Albert Camus

Ja, als Sechzehnjährige war Edith ein Opfer. Vielleicht sogar in den ersten beiden Dritteln ihres Lebens. Nur sie selbst kann das beurteilen, denn es ist eine innere Bewertung.

Wer entscheidet, ob jemand ein Opfer ist? Wie lange ist man ein Opfer? Bis zu welchem Punkt? Wer ändert das?

Ediths Vater hatte sie gezwungen, einen Lebensweg einzuschlagen, den sie nicht wollte. Ihre Firma hatte sie entlassen, weil sie „altes Eisen“ war. Nicht mehr gut genug für den Markt.
Vierunddreißig Jahre lang Pflichterfüllung und dann das. Vierunddreißig Jahre lang ein Leben gelebt, dass nicht den eigenen Träumen entsprach.
Dann der Cut. Die Kündigung.
Ein Eingriff von außen.

Viel zu früh. Und unfreiwillig. 

Viel zu früh?

Edith Wanst ärgerte sich, aber verharrte nicht in der Opferhaltung. Sie verstand diesen Einschnitt im Leben als das Eingreifen Gottes.

Sie sagte nicht: 
Jeesus, mein Leben ist verpfuscht. Es ist alles so furchtbar… Ich bin schon 50, was soll denn noch kommen?

Sie fragte:
Warum nicht?
Warum sollte ich nicht jetzt meine Träume leben?
Warum nicht studieren? 
Warum nicht alles ausprobieren, von dem ich immer geträumt habe? 

Es könnte ja schön sein! Herrlich könnte es sein! Es könnte funktionieren! 

– – –

Liebe Leserin, lieber Leser: Was ist dein Traum?
Und welcher Glaubenssatz würde dich dabei unterstützen, diesen Traum zu leben?

Magst du dir einen aussuchen?

Vielleicht ist es für dich unvorstellbar, dass Menschen mit einem Glaubenssatz wie „Ich bin gut“ durch die Welt laufen können und sich nicht dafür schämen, so arrogant/großkotzig/selbstgerecht/
ignorant zu sein. Nur höchst selten ist wird eine Person, die sich auf der „Ich bin schlecht“-Seite der Skala verankert sieht, in der Lage sein, sofort umzuswitchen und sich zu sagen: Ja sowas Blödes! Wie konnte ich nur…! Also ab jetzt bin ich natürlich gut.

Heilung braucht Zeit.
Das ist übrigens auch ein Glaubenssatz.

Vielleicht brauchst DU nicht viel Zeit.
By the way: Wie ist DEIN Glaubenssatz zum Thema Heilung?

Solltest du wissen oder vermuten, dass du dich auf der Minus-Seite der Skala befindest, dann verrate ich dir jetzt eine Zauberformel. Du wirst sie vielleicht zunächst nicht ernst nehmen, weil sie so einfach ist, aber sie ist tatsächlich magisch. Vielleicht wirst du sie empört ablehnen und dich in deinem Leid nicht verstanden fühlen. Lies bitte trotzdem weiter, ich bitte dich darum.

Der Philosoph Ken Wilber sagt:

Es kommt darauf an, die Gegensätze nicht zu trennen und „positiven Fortschritt“ zu machen, sondern vielmehr die Gegensätze, positive wie negative, zu harmonisieren, indem man eine Grundlage entdeckt, die über beide hinausgeht und sie beide umfasst.

Die beides umfassende Grundlage hier ist die Akzeptanz.
Also nimm deinen negativen Glaubenssatz, bestätige ihn innerlich – und ergänze ihn mit „Na und?“.

Hast du Angst davor, dich selbst zu erforschen und darauf zu stoßen, dass in deinem tiefsten Inneren ein ekliges brüllendes Monster lauern könnte?

Na und?

Dann hast du eben Angst. Das ist völlig okay.

Und das Monster? Ja mei, dann lauert es eben da. In deinem Inneren ist so viel los, da ist für das Monster auch noch Platz. Außerdem ist es schon ziemlich lange da und hat sich redlich um deine Aufmerksamkeit bemüht. Es darf jetzt auch mal was anderes machen. Es ist DEIN Monster, DU bist sein Chef oder seine Chefin. Nicht umgekehrt. Es ist nur eine deiner unzähligen Teilpersönlichkeiten. Lass es mit einer anderen Teilpersönlichkeit Fußball spielen oder Musik machen. Akzeptiere, dass es da ist. Sag mal Hallo! – und dann schick es auf den Monsterspielpatz.

DU bist der Kapitän deines Schiffes. DU bist die Königin deines Reiches. Ob du willst oder nicht: diese Verantwortung wirst du nicht los.

Und falls du jetzt sagst:
Ich kann das aber nicht, ich hab so schlimme Ängste, dann schließ‘ gleich selbst das „Na und?“ an. Dann kannst du es eben nicht. Jedenfalls jetzt noch nicht. Dann muddelst du eben manchmal vor dich hin – aber meistens lavierst du dich erfolgreich durch alle deine Ängste hindurch.
Hey, das erfordert so viel Mut und Stärke!
Mit „Na und?“ wird es auf keinen Fall schlechter. Du wirst sehen, auch dir hilft es bei manchen Sachen sofort.

Mache dir bewusst:

  • Es gibt keine übergeordnete Instanz, die dich bewertet und skaliert. Die existiert nur in deinem Kopf. Gott – oder wie immer du es nennst – ist reine Liebe. Es gibt keine Strafe.
  • Falls du dich selbst strafst: Dann nimm es auf die eigene Kappe und schieb‘ es nicht Gott in die Schuhe. Erlaube dir zu sehen, dass es nicht nötig ist, dich zu bestrafen.
  • Es ist auch nicht nötig, dich als Opfer zu fühlen. Erlaube dir zu fühlen, dass du geliebt wirst und Liebe gut tut. Auch wenn du gerade nicht an die göttliche Liebe glauben und niemanden namentlich nennen kannst, der dich deiner Meinung nach liebt, sprich diesen Satz laut aus: Ich erlaube mir zu fühlen, dass ich geliebt werde und Liebe mir gut tut.
  • Wenn du Menschen, Organisationen oder einer Idee, einem Glaubenssatz oder -system Macht über dich eingeräumt hast: Ja, es war so. Es war zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit deine Entscheidung. Alle, auch du, leben immer nur im Jetzt. Du darfst dich jetzt anders entscheiden.

    Nun schreibe ich doch wieder: Heilung braucht Zeit.
    Und meine: Die Folgen der Heilung brauchen Zeit, um sich zu manifestieren. Heilung kann spontan geschehen. Die Veränderungen, die sich dadurch ergeben, dauern meistens etwas länger, da sie auch dein Umfeld betreffen. Oft macht uns die befürchtete, aber nur imaginierte Reaktion des Umfelds mehr Angst als das, was in uns passiert.

Lass mich dir noch fünf Glaubenssatz-Vorschläge an die Hand geben, die dir weiterhelfen können.

  1. Ich darf heil werden.
  2. Mein Unbewusstes kümmert sich um alles Notwendige. Ich darf mich entspannen.
  3. Alles geschieht im richtigen Tempo.
  4. Mein Umfeld wird sehr gut damit klarkommen.
  5. In der Zukunft hat sich alles zu einem harmonischen Ganzen gefügt.


Stell dir vor, schon bald könntest du GOTT/ dem Universum/dir selbst deine Dankbarkeit für dieses Leben bezeugen, indem du es voll auskostest.
Es liebst.
Es zelebrierst.

Jeden Tag ein bisschen mehr.

Denk darüber nach. Könnte herrlich sein! Könnte ja klappen!

In Liebe, Anja

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