Durchschauen ist ein Wort mit gleich drei Bedeutungen: Du kannst Unterlagen durchschauen, jemandes Spiel durchschauen und durch etwas durchschauen, durch eine Brille etwa oder ein Wasserglas.
Doch du kannst auch durch Materie, Raum und Zeit durchschauen, und das nicht nur, wenn du ein Medium bist. So geht es uns allen, wenn wir uns an etwas erinnern, uns etwas vorstellen oder träumen: ganz gleich, wo wir gerade sind, erleben wir im Inneren etwas völlig anderes, einen anderen Raum, eine andere Zeit.
Ich lade dich heute dazu ein, deine Werte einmal bewusst durchzuschauen bzw. damit zu beginnen, um zu durchschauen, was sie mit dir machen, welche Auswirkungen sie auf dein Leben, deine Beziehungen, deine Pläne, Ziele und Träume haben.
Durchschaue deine Werte ist eine wichtige Aufforderung. Vieles im Leben ist optional, nur weniges essentiell. Nach dem Lesen des Artikels wirst du wissen, warum es essentiell ist, dir deiner Werte voll bewusst zu sein.
Unsere Werte bestimmen unser Leben und unsere Bedürfnisse. Lautet einer deiner Werte beispielsweise Anerkennung, wirst du ein stark ausgeprägtes Bedürfnis nach Anerkennung verspüren. Wird dir dieser Wert weniger wichtig, meldet sich dein Bedürfnis nach Anerkennung seltener. Das wiederum wirkt sich auf dein Verhalten, deine Pläne und Ziele aus. Auf die Menschen, mit denen du dich umgibst - oder das nicht mehr möchtest.
Die Veränderung eines einzigen Wertes verändert dein Leben.
In Anlehnung an Paul Watzlawicks "Man kann nicht nicht kommunizieren" gilt ebenso "Man kann nicht keine Werte haben". Jeder Wert gibt dir eine Orientierung, eine Richtung, einen Halt und eine Aufgabe. Mehr dazu findest du gleich auf der Werte-Checkliste.
Aber ist dein Wert wirklich DEIN Wert? Hast du ihn selbst gewählt oder übernommen? Rebellierst du vielleicht vehement gegen Werte, von denen andere woll(t)en, dass du sie lebst - und zelebrierst daher Anti-Werte?
Selbst dann, wenn es dir schadet?
Erwachsen ist man dann, wenn man das Richtige tut. Obwohl es die Eltern empfohlen haben.
Paul Watzlawick
Außerdem gibt es viele wichtige, sogar fundamentale Werte, die unter den Teppich gekehrt werden. Weil sie beispielsweise nicht auf Kuschelkurs liegen.
Weil sie negativ konnotiert sind. Vielleicht sogar verpönt.
Oder weil man sich dafür schämt.
Der am weitesten verbreitete schambehaftete Wert ist mit Sicherheit Die Fassade Aufrechterhalten-Wollen. Den Schein wahren. Kommt er dir auch bekannt vor?
Ich hätte Opern darüber schreiben können.
Bevor ich reflektiert habe, reflektieren musste. Es ließ sich nicht mehr vermeiden.
Er ist natürlich immer noch da. Aber geschrumpft!
Das ist übrigens auch ein essentielles Thema: Vermeidung vermeiden...
Aber heute geht es um Werte. Betrachte einmal aufmerksam deine persönliche Wertelandschaft. Sie besteht nicht nur aus Gipfeln. Sie hat auch Täler. Es gibt Wasser, die Sonne, den Himmel. Wiesen und Wüsten.
Was in deiner Landschaft ist deine Sonne? Wie lauten die Namen der Täler?
Unsere Werte sind auf das engste verbunden mit unseren Glaubenssätzen. Gemeinsam bestimmen sie in einem hohen Maße unser gesamtes Leben. Das, was dir im Leben und vom Leben gespiegelt wird, wird vorrangig durch deine Werte und Glaubenssätze bestimmt. Sie erschaffen deine Welt, deine Paradiese und deine Abgründe.
Das Gute daran ist: Werte sind veränderbar. Glaubenssätze auch.
Du kannst deine Wertelandschaft selbst gestalten. Und jederzeit wieder umgestalten.
Doch das geht nur, wenn dir bewusst ist, wie sie aussieht. Schau hin. Schaue hindurch.
Wie bewusst sind dir deine Werte?
Ich war erstaunt über meine. Du wirst ebenfalls staunen, das verspreche ich dir.
Nimm dir etwas Zeit, einen Stift und einen Zettel oder dein Smartphone und schreibe dir spontan die acht bis zehn Werte auf, die du jetzt gerade für die wichtigsten deines Lebens hältst.
Denk nicht nach. Schreib einfach. Du kannst deine Antworten später ändern.
Denke an die Menschen in deinem Leben, denk an deinen Beruf. An das, was dich antreibt und umtreibt. An das, was das Leben für dich bisher bereitgehalten hat und an das, wovon du dir wünschst, dass es das Leben noch für dich bereithalten möge.
Welcher Wert ist dir der wichtigste? Erstelle ein Ranking. Schaue dir dann fürs erste den obersten sowie einen beliebigen zweiten Wert deines Rankings an und gehe in Ruhe die Checkliste durch.
Nenne den Namen deines Wertes und schreibe deine ganz persönliche Definition auf. Nimm nicht eine aus dem Internet. Mach dir deine eigene Definition bewusst. Beispielsweise so:
Mein Wert ist: Nähe.
Ich definiere Nähe so: Nähe ist für mich eine tiefe, intensive Verbundenheit mit einem anderen Menschen in einer Liebesbeziehung oder Freundschaft. Nähe lässt mich alles am anderen liebend annehmen, gerade auch die Wunden, die Narben und die dunklen Seiten. Ich selbst kann mich ebenso vorbehaltlos zeigen und werde warm und liebevoll angenommen.
Nähe kann zu Hingabe führen.
Meine Werte-Checkliste
Mein Wert ist:
Ich definiere ihn so:
1. Warum ist mir dieser Wert wichtig?
2. Wann habe ich bemerkt, dass ich diesen Wert unbedingt leben will?
3. Woran habe ich es bemerkt?
4. Wodurch bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass ich diesen Wert in meinem Leben besonders hoch halten möchte?
5. Woran merke ich, dass es mir gut tut, diesen Wert zu leben?
6. Woran merke ich gegebenenfalls, dass es mir nicht gut tut oder sogar schadet, diesen Wert zu leben?
7. Wenn ich diesen Wert in meinem Leben nicht oder kaum leben würde: wo würde ich aktuell stehen?
8. Was in meinem Leben wäre dann schlechter, soweit ich das überblicken kann?
9. Was wäre besser oder einfacher?
Hier sind Beispielantworten für dich:
1. Nähe ist mir wichtig, weil sie mein Leben bereichert, mich trägt und mir Geborgenheit schenkt.
2. Ich habe es bemerkt, als eine mehrjährige Partnerschaft in die Brüche ging und mir klar wurde, das erstens räumliche Nähe leider nicht automatisch seelische Nähe bedeutet und zweitens ich andere Personen vernachlässigt hatte, mit denen ich echte Nähe hätte pflegen können. Menschen, die sauer auf mich wurden, weil ihnen Nähe wichtig war und mir nicht. Und weil sie mich gebraucht hätten und ich nicht da war.
3. Ich habe damals bemerkt, dass ich einsam bin, obwohl es viele Menschen in meinem Leben gab, und ich habe feststellen müssen, dass meist ich diejenige war, die keine wirkliche Nähe zugelassen hat, einfach aus Zeitgründen, manchmal auch aus Scham.
4. Als ich eine Freundschaft wiederbeleben konnte und mich meine Freundin mit Offenheit, Halt und tiefem Verständnis beschenkt hat, wurde mir klar, das echte Nähe fundamental wichtig für mein Leben ist.
5. Es tut mir gut, Nähe zu leben, weil ich bei meinen Freunden und Freundinnen so sein kann, wie ich bin und nichts zurückhalten brauche. Es tut mir gut, Nähe zu leben und zu geben, weil ich dann die Selbstkontrolle aufgeben kann und so etwas wie Scham nur ganz selten verspüre und wenn ja, sie zulassen kann.
6. Es tut mir nicht gut, diesen Wert mit einem Gegenüber zu leben, das Nähe nur selten oder gar nicht zulassen kann. Nähe ist keine Einbahnstraße.
7. Ich kann nicht sagen, wo ich stehen würde, wenn ich diesen Wert nicht leben würde, aber ich frage mich gerade, ob ich überhaupt noch stehen würde.
8. Wenn mir dieser Wert nicht so wichtig wäre, wäre ich im Innersten einsam.
9. Ich bin mir zu 100 % sicher, dass nichts besser wäre, wenn ich diesem Wert nicht eine so hohe Priorität in meinem Leben einräumen würde.
Verfahre mit allen Werten so. Vielleicht nimmst du dir an jedem Tag der Woche einen vor. Wenn dir soviel klar wird, dass es überwältigend ist, dann gönne dir einige Tage Ruhe. Gehe erst zum nächsten Wert über, wenn du spürst, dass du innerlich bereit dafür bist.
Bleib dran. So bist du innerhalb weniger Tage oder Wochen fertig.
Der Gewinn, den du daraus ziehen wirst, wird deine kühnsten Vorstellungen übertreffen und dir alle kommenden Jahre deines Lebens versüßen und vergolden.
Du trägst alle Antworten in dir.
Niemand kann dir etwas sagen, was du in deinem Inneren nicht schon weißt.
Vertraue deiner inneren Weisheit.
Erlaube ihr, zu dir durchzudringen.
Öffne dein Ohr für sie.
Sei mutig und folge ihr.
Jeder Wert birgt unvorstellbar große Schätze für das eigene Leben, aber auch große Tücken.
Werte haben - wie Medaillen - zwei Seiten. So kann der Wert der Liebe ein Menschenleben auf das Großartigste bereichern, aber er kann es auch so einengen, dass man daran krank wird oder sogar stirbt.
Denn es gibt so viele Definitionen von Liebe, wie es Menschen gibt.
Aber kaum jemandem ist seine bewusst.
Wie ist deine? Wen umfasst sie? Ist sie platonisch, erotisch oder universal? Wodurch wird sie genährt? Wodurch getötet? Oder ist sie unsterblich?
Liebe kann dich befreien. Liebe kann dich tragen. Dich ermächtigen.
Liebe kann dich einengen. Oder überrollen.
Wer Liebe unreflektiert lebt, sie beispielsweise mit gefühlsmäßiger, materieller, sexueller Abhängigkeit oder Co-Abhängigkeit von einem anderem Menschen verwechselt, bekommt oft Dinge im Leben gespiegelt, die ihn an seine persönliche Grenzen und darüber hinaus bringen.
Wer als Kind aufgrund der Situation im Elternhaus nicht lernen konnte, sich auf gesunde Art selbst zu lieben, wer durch ein Trauma oder andere schlimme Erfahrungen Liebe - meist unbewusst - mit Verrat, Schmerz, Verlassenwerden, Einsamkeit oder Trauer verbindet, wird daran verzweifeln, wie exakt sich Situationen in Liebes- und anderen nahen Beziehungen wiederholen, die man um jeden Preis vermeiden wollte.
Liebe ist nur ein Beispiel. Jeder Wert kann sich von seiner zerstörerischen Seite zeigen. Das ist der Fluch der unreflektierten Werte.
Bis wir uns das Unbewusste bewusst machen, wird es unser Leben lenken
und wir werden es Schicksal nennen.
Carl Gustav Jung
Doch wenn du deine Werte reflektierst, greift dich der Fluch nicht an. Wenn du dich im Spiegel deines Lebens betrachtest und lernst, diese Sprache zu verstehen, bist du davor gefeit.
Was geschieht mir (und warum ausgerechnet mir!!) wird zu Was muss ich projiziert, also (bewusst oder unbewusst) visualisiert und manifestiert haben, wenn das dabei herausgekommen ist?
Selbstreflexion ist dein Knoblauch gegen den Vampir.
Denn du KANNST dir deine Werte bewusst machen.
Ständig.
Immer wieder aufs Neue. Das ist keine Zauberei und kein Privileg.
Und da ist niemand außer dir selbst, der dich davon abhalten kann.
Du brauchst auch niemand anderen dazu. Nur dich selbst. Etwas Zeit.
Und Aufrichtigkeit dir selbst gegenüber.
Also - mach dir einen Knoblauchtee und reflektiere. Schreib.
Gern auch mir!
Lass mich teilhaben an deinen überraschendsten Erkenntnissen, an denen, die dich am meisten beschäftigen. Hinterlasse einen Kommentar oder schreibe mir an spiegeldichgluecklich@gmail.com.
In herzlicher Verbundenheit, Anja
Sehr schöne wertvolle Impulse 🎁